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Geht es Ihnen auch so, dass unser Leben aktuell in ein Davor und Danach aufgeteilt ist? Was war vor Corona und was ab dem Moment, als dieser Virus in unser Leben trat? Ganz zu schweigen von den Gedanken, wie unser Leben in ein paar Monaten aussieht?

Davor planten wir, trafen uns unbeschwert mit Freunden, umarmten uns, flogen mal schnell zu einem Business-Meeting. Wir konnten anhand von Gesichtern erkennen, wie sich Menschen fühlen – ein Lächeln, nach unten gezogene Mundwinkel etc.. Danach bestimmen Regeln, Kontaktbeschränkungen und Lockdown unser Leben. Und jetzt, da es so aussieht, als ob wir die sogenannte 2. Welle gebrochen haben, fragen wir uns, wann wir uns wieder ohne Maske frei bewegen können und wollen, wann wir wieder in ein „normales Leben“ zurückfinden. Oder bleibt uns dieser Mund-Nasen-Schutz länger und wir gewöhnen uns dauerhaft zumindest im Öffentlichen Nahverkehr, also in Bus und Bahn daran, eine Maske zum Schutz vor diversen Viren zu tragen. Wieviel kehrt von dem Davor zurück?

Viel ist aktuell gefühlt zufällig, ungeplant und unerwartet. Wir wissen nicht, was in dem nächsten Moment passiert. Planung ist schwierig. Ereignisse kommen, ohne dass wir uns wirklich vorbereiten können, und wir müssen lernen, damit umzugehen und damit zu leben. Zufall heißt im englischen Chance; also das, was uns unvorhergesehen „vor die Füße fällt“. Wir könnten auch sagen: in jedem Zufall steckt eine Chance. Haben wir diese wahrgenommen? Haben wir unsere Chancen in den letzten 15 Monaten genutzt? Und sind wir bereit, aus der Zeit Davor und während Corona zu lernen?

Ob wir das gut können, hängt auch davon ab, wie wir uns selber sehen, was für ein Bild wir von uns haben. Carol Dweck, eine führende Forscherin zu dem Thema Selbstbild spricht von statischem oder dynamischem Selbstbild. Glauben wir an die Möglichkeit, aus widrigen Situationen und Herausforderungen lernen zu können? Oder denken wir, dass Misserfolge Niederlagen sind? Können wir Fehlschläge als Lernchance erkennen, aus der wir Erfahrungen mitnehmen, die uns wachsen lassen?  Was denken wir über uns selber?

Menschen mit einem dynamischen Selbstbild wollen sich entwickeln, wachsen und lernen, und sie glauben daran, dies zu können. Misserfolge sind Lernchancen. Hinfallen und wieder aufstehen ist ihre Devise. Das, was kleine Kinder von Natur aus haben. Wenn sie das Laufen lernen, fallen Sie hin und versuchen es immer wieder, bis sie Erfolg haben. Sie geben nicht auf, bis sie stehen und schließlich laufen können.

Leider geht vielen diese Fähigkeit im Laufe des Lebens verloren, und ein Fallen wird als Versagen empfunden und wird damit zum Angriff auf unser Selbstbewusstsein. Was ist die Konsequenz? Die Angst vor einem Scheitern veranlasst Menschen mit einem statischen Selbstbild dazu, Herausforderungen aus dem Weg zu gehen vor lauter Angst vor einem Misserfolg. Veränderung und Lernen wird damit fast unmöglich. Selbstzweifel werden zum ständigen Begleiter.

Erinnern Sie sich noch an den hochtalentierten Tennisspieler John McEnroe. Er war in den 90er Jahren einer der Weltbesten Tennisspieler, und ein Paradebeispiel für statisches Selbstbild. Hochtalentiert, nur der Erfolg zählte. Niederlagen waren Misserfolge. Er verlor ein gemischtes Doppel und beschloss danach, nie wieder ein solches Doppel zu spielen. Wenn er in einem Turnier im Rückstand war, beschimpfte er den Schiedsrichter (er unterstellte Fehlentscheidungen), den Gegner (er verzögerte beim Aufschlag zu lange, und so könne er sich nicht konzentrieren), die Zuschauer (sie sind zu laut oder zu leise). Er schmiss den Schläger und schrie rum. Er suchte die Schuld für einen missglückten Tennisschlag bei den Anderen. John McEnroe war zwar aufgrund seines außergewöhnlichen Talents erfolgreich, aber er ging davon aus, dass nur Siege zählen. Jede Niederlage führte zu enormen Selbstzweifeln. Er war in seinen Augen dann nichts mehr wert. Mit der Zeit wurde er stark depressiv.

Corona fordert uns fast alle dazu auf, neue Wege zu gehen, und ist eine Chance, uns weiterzuentwickeln, und das fällt uns umso leichter, je dynamischer unser Selbstbild ist. In dem Umgang mit Corona fallen wir alle immer wieder hin. Wir haben keine Erfahrung mit einer Pandemie. Auch nicht damit, was die nächsten Monate mit sich bringt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir komplett in ein Davor zurückkehren werden. Homeoffice, Digitalisierung, Remote Working, Home Schooling etc. werden bleiben und unser Leben wird leichter, wenn wir die damit verbundenen Freiheiten und Perspektiven erkennen und nutzen können anstelle an dem Davor zu sehr festzuhalten.

Wir haben die Möglichkeit und die Wahl, das Beste aus unseren Fähigkeiten zu machen.

Jeder von uns hat eine Mischung von Selbstbildern, je nach Situation und Kontext. So ist es beispielsweise möglich, dass wir im beruflichen Kontext die Herausforderung suchen, uns gerne an schwierige Aufgaben wagen. Im Privaten hingegen sagen wir: „Ich bin halt so, das habe ich von meinen Eltern. Dass kann ich nicht ändern…“

Selbstbilder sind nicht „in Stein gemeißelt“, sie können sich verändern. Ein dynamische Selbstbild beinhaltet den Wunsch, seine Fähigkeiten bestmöglich auszubauen und weiterzuentwickeln. Und dass können wir nur, wenn wir bereit sind, aus Niederlagen und Fehlern zu lernen und nicht „den Kopf in den Sand zu stecken“.

Wir kann ich dieses stärkende, dynamische Selbstbild nun fördern?

  • Beobachten Sie genau, wann Sie Herausforderungen aus dem Weg gehen. Wann meiden Sie Situationen aus Angst vor dem Scheitern? Z.B. Im Englischmeeting sagen Sie kaum etwas, da Sie Angst haben, schlechter, als die anderen zu sein. Die schwarze Piste beim Skifahren probieren Sie erst gar nicht aus, aus Sorge hinzufallen oder nicht gut dabei auszusehen.
  • Packen Sie diese Situation an“, gehen Sie erste kleine Schritte, um zu üben und holen Sie sich Hilfe.
  • Nehmen Sie wahr, dass es anderen auch so geht. Jeder von uns hat Situationen, die er aus Sorge vor Misserfolg meidet. Was würden Sie anderen in der gleichen Situation raten? Und Ihre Situation von Aussen betrachtet – was würde Ihnen wohl ein guter Freund raten?
  • Wenn etwas schief geht, dann überlegen Sie, was könnten sie beim nächsten Mal anders machen? Was war der Grund für das Scheitern? Welche Unterstützung könnten Sie brauchen und wo finden Sie sie?
  • Tun Sie nicht so, als seien Sie perfekt und nur andere machen Fehler. Das ist auf Dauer sehr anstrengend. Und irgendwann fliegt diese Tarnung auf, und dann tut das „Hinfallen“ deutlich weher. Wenn Sie zugeben, etwas noch nicht so gut zu können, dann haben Sie die Chance, dass Ihnen andere helfen, und die Lernkurve steigt anstelle der Stresskurve durch Vermeidung.
  • Wenn Sie Fehler machen, dann seien Sie nicht zu streng mit sich. Sätze wie „das war ja eh klar, ich konnte das noch nie“ sind wenig motivierend. Besser wäre die Haltung „ich kann das noch nicht“. Damit machen Sie den Raum auf, dass es das nächste Mal klappen kann.
  • Wenn Sie etwas gut können, dann erhöhen Sie die Anforderung das nächste Mal etwas. Nur dann können Sie ihre Fähigkeiten weiter ausbauen und schaffen die Basis, auch mal stolz auf sich zu sein.
  • Übernehmen Sie Verantwortung für ihr Handeln. Wir alle kennen das: etwas geht schief und wir suchen den Schuldigen. „Die Präsentation misslang, da das Internet und die Technik versagte“, „Die Prüfung habe ich nicht bestanden, da der Lehrer schlecht war.“ Wir suchen die Ursache für Misserfolg gerne im Außen. Das Dumme daran ist nur, dass macht Weiterentwicklung schwer. Indem wir die Verantwortung dorthin abgeben, was wir nicht ändern können, schieben wir die Situation von uns weg, und es wird fast unmöglich zu erkennen, was wir beim nächsten Mal besser machen können. Im konkreten Fall: dass das Internet oft versagt, wissen wir. Wie können wir eine Präsentation so vorbereiten, dass es trotzdem ein Erfolg werden kann?
  • Stehen Sie dazu, was sie nicht können und auch nicht können wollen. Es geht nicht darum, auf die Suche nach Schwächen zu gehen, um diese „auszumerzen“. Es geht darum, mit Situationen, die auf uns zukommen, besser umgehen zu können. Dinge, die uns „vor die Füße fallen“ anzunehmen und uns nicht davor zu verstecken oder davor wegzulaufen.
  • Wenn Sie dann ab und zu ihrem statischen Selbstbild zu etwas mehr Dynamik verholfen haben, dann genießen Sie es. Fühlen Sie in sich hinein. Wo und wie spüren Sie es? Und nehmen Sie das Gefühl mit und erinnern Sie sich beim nächsten Mal daran, wie schön es ist, wenn sie Dazulernen durften, wenn Sie ihre Fähigkeiten ein Stück weiterentwickeln konnten.

Kennen Sie Tiger Woods? Einer der weltbesten Golfspieler, und ein Beispiel für ein dynamisches Selbstbild. Golf ist ein „launischer“ Sport. Schläge, die gestern perfekt geklappt haben, gehen heute komplett daneben. Jeder, der schon mal einen Golfschläger in der Hand hatte, kennt das. Tiger Woods analysiert jeden missglückten Schlag und deren Ursachen. Er sucht nach Wegen, wie er es das nächste Mal besser machen kann. Er will die Herausforderung und weiß, dass Talent alleine nicht reicht. Er hat Freude daran, seine Fähigkeiten zu optimieren. Schon als kleiner Junge wollte er Turniere mit deutlich besseren Gegnern spielen. Er wusste, dass er damals noch keine Chance hatte, gegen sie zu gewinnen. Er sah darin eine Chance zu lernen und sich zu verbessern.

Weiterentwicklung setzt eine konstruktive Fehlerkultur voraus – Fehler als Lernchance zu erkennen. Sie zeigen uns nur, was noch nicht so gut läuft. Nicht mehr und nicht weniger. Weder in der Zeit von Corona noch danach wird alles, was wir ändern, gleich optimal laufen. Aber wir haben die Gelegenheit, dass, was schon davor oder während Corona nicht so gut war, zu hinterfragen und zu ändern. Und das umfasst alle Lebensbereiche.

Ich wünsche Ihnen viel Freude im Umgang mit ihrem dynamischen Selbstbild.

Mehr dazu in meinen Seminaren und Coachings.

 

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Angela Barzen
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